Bilanz erstes Halbjahr - Mehr Web-Kampagnen kritisiert

Bilanz erstes Halbjahr - Mehr Web-Kampagnen kritisiert

BERLIN, 2. September 2010 (dw) - Sprunghaft angestiegen ist die Menge von Werbemaßnahmen im Internet, über die sich Konsumenten beim Deutschen Werberat beschwert haben. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres gerieten 30 Kampagnen in den Fokus von Protesten gegenüber nur 9 im Vergleich zu 2009. Damit betrug der Web-Anteil der von dem Gremium zu entscheidenden Werbekampagnen fast ein Drittel - lediglich noch leicht übertroffen von Außenwerbung mit 34 und TV-Spots mit 31 kritisierten Kampagnen.

Für besorgniserregend hält der Werberat den Trend gegenwärtig nicht. Das Gremium habe im Jahr 2009 das System der Beschwerde per Internet vereinfacht. Auch seien es meist kleine Unternehmen, die Kritik von Internet-Nutzern auf sich zögen und damit als Randphänomene einzustufen sind. Ebenso verteilten sich einzelne Proteste auf verschiedene Formen der Internet-Marktkommunikation der Wirtschaft wie eigene Seiten von Firmen, Werbeschaltungen in fremden Online-Diensten, Suchmaschinen oder Netzwerken. "Wir befinden uns bei dieser Mediengattung in Sachen Werbung noch in der unteren Problemzone, beobachten die Entwicklung aber sehr genau", so ein Sprecher des Werberats in Berlin.

Politischer Hintergrund in Sachen Alkoholprodukte

Insgesamt hatte der Werberat in den ersten sechs Monaten über 157 aus der Bevölkerung kritisierte Werbemaßnahmen zu entscheiden (Vorjahr: 147), eine Steigerung um 7 Prozent. Ursache dafür sei aber kaum aufkeimende Ellbogen-Mentalität im Wettbewerb der Unternehmen, sondern ein politischer Hintergrund, sagte der Werberatssprecher. "Im Rahmen eines Anti-Alkoholprojekts der EU-Kommission sucht die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen DHS nach Test-Fällen, um die vermeintliche Wirkungslosigkeit der Werbeselbstdisziplin zu unterstellen - die DHS strebt seit Jahren die weitgehende Behinderung des Markenwettbewerbs für Alkoholprodukte an." Entsprechend zugenommen hätten beim Werberat Beschwerdevorgänge im Zusammenhang mit Marken-Werbung der Anbieter von alkoholhaltigen Getränken - im ersten Halbjahr auf 20 Kampagnen gegenüber 7 im Vorjahreszeitraum und damit auf dem Spitzenplatz der von Kunden-Protesten betroffenen Werbung der Wirtschaft.

Danach rangierten Bekleidung (15 Werbeaktivitäten), Kfz und Autozubehör (14), Gaststätten (13) sowie Kreditwirtschaft und Kommunikationstechnik mit je 10 kritisierten Kampagnen.

Wieder nur fünf Rügen nötig

Wie erfolgreich Konsumenten mit Beschwerden an den Werberat sind, demonstrieren die Ergebnisse der Entscheidungen des Gremiums, das sich in 49 Fällen der Bürgerkritik anschloss. 32 Kampagnen wurden nach Beanstandungen durch den Werberat eingestellt und 12 entsprechend der Kritik abgeändert. Nur in 5 Fällen - wie im Vorjahr - musste der Werberat die Medien mit Hilfe einer Öffentlichen Rüge auf mangelnde Einsicht werbender Firmen aufmerksam machen und löste damit entsprechende öffentlich geführte Debatten aus.

Im ersten Halbjahr 2010 warf der Werberat vier Unternehmen öffentlich Frauen diskriminierende Werbesujets vor und einer Firma Gewaltverherrlichung.

Dresdner Diskothekenbetreiber Andy Pönicke wirbt mit von Schweiß bis zur Scham glänzenden geöffneten Frauenbeinen.

Bremer Hersteller von Fahrradblechen pureplate GmbH zeigt im Internet eine Frau in Unterwäsche mit dem Text "Was Hartes für hinten!").

Dipl.-Forstingenieur Michael Mester (Brilon/Sauerland) warb per Anzeige für seinen künstlichen Fuchsbau in der Zeitschrift Wild und Hund mit einer nackten kriechenden rothaarigen Frau auf einer Betonröhre.

Mainzer Club-Betreiber Michael Gores propagierte sein Angebot auf Plakaten und im Internet mit "Die Liköre Ficken und Orgasmus für nur 1,0 Euro"

Wegen übertriebener gewalttätiger Abbildung einer Kampfszene rügte der Werberat die in Karben (Hessen) ansässige Kampfkunst-Schule Wing Tsun Concepts.

Spitzen-Motiv: "Frauen werden diskriminiert!"

An erster Stelle der Gründe für Kritik an kommerzieller Werbung stand mit 41 Prozent der betroffenen Kampagnen erneut der Vorwurf, Frauen würden herabgewürdigt. Erstmals an zweiter Stelle rangiert mit 9 Prozent erstmals die Unterstellung, die Werbung verstoße gegen die Alkohol-Regeln des Werberats. Hier spiegeln sich die von der DHS eingereichten Beschwerden wider.

Hinweis

Die Angaben hinsichtlich der Gestaltung der jeweiligen Werbemaßnahme sowie des verantwortlichen Unternehmens beziehen sich auf den für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Zeitpunkt der öffentlichen Rüge. Die aktuelle Gestaltung der Werbemaßnahme und das heute hierfür verantwortlich zeichnende Unternehmen können daher von den damaligen Gegebenheiten abweichen.