Jahrbuch „Deutscher Werberat 2019“ erschienen - Werberat legt Jahresbilanz vor
Jahrbuch „Deutscher Werberat 2019“ erschienen - Werberat legt Jahresbilanz vor
BERLIN, 21. März 2019 (dwr) - Der Deutsche Werberat hat im vergangenen Jahr 702 Werbemaßnahmen überprüft, zu denen aus der Bevölkerung 1.235 einzelne Beschwerden vorlagen. In den eingeleiteten Verfahren folgten rund 90 Prozent aller Unternehmen dem Votum des Gremiums und stoppten oder änderten ihre Werbung, wenn der Werberat sie beanstandet hatte. Damit belegt die Jahresbilanz 2018 erneut die hohe Durchsetzungsquote des Gremiums und die branchenübergreifende Akzeptanz der Selbstkontrolleinrichtung in der Wirtschaft. Der Werberat ist erste Anlaufstelle für Beschwerden aus der Bevölkerung und fungiert als Mittler zwischen Werbenden und Umworbenen. Die Bürgerinnen und Bürger können sich an die Institution wenden, wenn kommerzielle Kommunikation zwar rechtlich nicht zu beanstanden ist, aber aus anderen Gründen als unangemessen empfunden wird. Die Vorteile: Das Verfahren ist schnell, unkompliziert und für die Beschwerdeführer kostenfrei.
Im Jahr 2018 wandten sich die Menschen mit den unterschiedlichsten Anliegen an den Werberat in Berlin. Sie sahen Kinder durch einzelne Werbemaßnahmen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt, protestierten gegen sexistische Werbung, empfanden allgemeine Grundwerte von Anstand und Moral verletzt oder kritisierten Werbung als gewaltverherrlichend oder rassistisch und vieles mehr.
Von den insgesamt 702 geprüften Fällen fielen 240 Fälle nicht in die Zuständigkeit der Selbstkontrolleinrichtung, etwa weil es sich nicht um Wirtschaftswerbung, sondern um Werbung von Behörden oder Parteien handelte, die Produkte an sich kritisiert oder Verstöße gegen gesetzliche Werbeverbote geltend gemacht wurden.
Der Werberat entschied über 462 einzelne Werbesujets, ein Rückgang von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr mit der höchsten Anzahl von Werberatsfällen seit Gründung der Selbstkontrolleinrichtung 1972. In 124 Fällen teilte der Werberat die Kritik der Beschwerdeführer und informierte die betreffenden Unternehmen über den Verstoß gegen den Werbekodex. Insgesamt wurde jede vierte Werbekampagne, über die sich Bürger bei der Selbstkontrolleinrichtung beschwert hatten, von den betroffenen Unternehmen zurückgezogen oder geändert (108 Fälle; Beanstandungsquote: 27 Prozent). Von Kritik freigesprochen wurden 338 Werbemotive. Es lag kein Verstoß gegen den Werbekodex vor. Nur in wenigen Fällen reagierten die Unternehmen nicht unmittelbar auf die Beanstandung und erhielten deshalb eine Öffentliche Rüge (2018: 16).
Julia Busse, Geschäftsführerin des Deutschen Werberats, fasst die Beschwerdebilanz 2018 zusammen: „Die Sensibilität der Bevölkerung bei ethischen Fragen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Wichtig sind deshalb gut funktionierende Systeme der Selbstregulierung, wie es sie für den Bereich der Wirtschaftswerbung mit dem Deutschen Werberat gibt. Uns ist dabei immer wichtig, in einen Dialog mit den werbenden Unternehmen einzutreten und die Sichtweise der Beschwerdeführer darzulegen. Wir können hier eine große Bereitschaft zur Kooperation mit dem Werberat feststellen, wie die Beschwerdebilanz 2018 erneut belegt. Aber auch die Beschwerdeführer sind durchaus bereit, andere Sichtweisen anzuerkennen.“
Details zur Beschwerdestatistik 2018
Inhalte der Werbekritik
Zwar steht ‚Geschlechterdiskriminierende Werbung‘ (sexistische Werbung, Frauen- und/oder Männerdiskriminierung) nach wie vor an der Spitze der Gründe, warum sich die Bevölkerung mit Protesten an den Werberat wendet. 2018 waren aber mit 261 Fällen spürbar weniger Kampagnen von dieser Kritik betroffen als 2017 mit 321 Sujets. Gleichzeitig zeigt die um neun Prozent gestiegene Anzahl an Einzelbeschwerden zu den Werbemotiven (445 gegenüber 408 in 2017) die unverändert hohe Bedeutung des Themas in der Bevölkerung. In einem Drittel der Fälle folgte der Werberat der Kritik: Er beanstandete insgesamt 86 Werbemaßnahmen.
An zweiter Stelle der Beschwerdegründe standen Verstöße gegen ‚Ethische und moralische Mindestanforderungen‘ (61 Fälle), die der Werberat anhand seiner Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation beurteilt. Der recht hohe Anteil von 13 Prozent an sämtlichen Werberatsfällen ist in dem breiten Spektrum an Beschwerdeinhalten begründet, die in dieser Rubrik zusammengefasst werden. Beispielsweise fielen in diese Kategorie die Beschwerde über eine Tourismuswerbung der Städte Jerusalem und Tel Aviv, einen TV-Spot, in dem ein Hund das Gesicht eines Babys ableckt, oder die Darstellung eines Arztes, der gegen Herbstdepression den Schlussverkauf eines Möbelhauses verschreibt (alle drei Beschwerden wurden zurückgewiesen).
Weitere Beschwerdeinhalte betrafen den Kinder- und Jugendschutz (27 Fälle), die Diskriminierung von Personengruppen (21), die Nachahmungsgefahr gefährlichen oder unsozialen Verhaltens (18) sowie sexuell anstößige Werbung (17). In 12 Fällen wurden Verstöße gegen den Kodex zur Alkoholwerbung geltend gemacht, ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr mit nur vier Fällen. In neun Fällen war die Kritik jedoch bereits auf den ersten Blick unbegründet. Drei Werbemotive wurden nach Intervention des Werberats zurückgezogen.
Kritisierte Werbung nach Werbemitteln
Deutlich angestiegen sind 2018 Beschwerden über Werbeinhalte, die in den Sozialen Netzwerken verbreitet wurden (plus 22 Prozent). Hinter Plakatwerbung und TV-Spots landete allein diese Form von Digitalwerbung auf Platz drei der nach Werbemitteln aufgeschlüsselten Statistik. Sämtliche digitalen Werbemittel zusammengenommen lag Online-Werbung mit insgesamt 100 Beschwerdefällen nahezu gleichauf mit der Plakatwerbung. Positiv: Bis auf ein Unternehmen waren alle bereit, die vom Werberat beanstandete Werbung schnell und unkompliziert aus den Firmenkanälen bei Facebook, YouTube oder Instagram dauerhaft zu löschen.
Europa setzt auf effektive Werbeselbstregulierung
Mit der im Dezember 2018 in Kraft getretenen neuen EU-Richtlinie über audiovisuelle Medien werden Mechanismen der Werbeselbstregulierung weiter ausdrücklich gestärkt: Sie sollen von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gefördert werden, um in einem dynamischen Wirtschaftsumfeld eine schnelle, effektive und flexible Reaktion auf aktuelle Entwicklungen zu ermöglichen. Neue gesetzliche Werbeverbote insbesondere für die stark diskutierte Lebensmittel- oder Alkoholwerbung wurden trotz vielfältiger Forderungen nicht aufgenommen. In einem Gastbeitrag für das heute veröffentlichte neue Jahrbuch des Deutschen Werberats begründen die beiden Berichterstatterinnen des Europaparlaments, Petra Kammerevert (S&D-Fraktion) und Sabine Verheyen (EVP-Fraktion), dies auch mit der sehr gut funktionierenden Ko- und Selbstregulierung in der Werbewirtschaft in vielen Mitgliedstaaten. „Der Deutsche Werberat hat damit in Europa die Führungsrolle bei der medienübergreifenden Selbstregulierung der Inhalte kommerzieller Kommunikation eingenommen“, attestieren die beiden Abgeordneten, die das Dossier federführend in Europa verhandelt hatten.
Jahrbuch „Deutscher Werberat 2019“ mit Leitfaden veröffentlicht
Das neue Jahrbuch der Selbstkontrolleinrichtung enthält erstmals einen Leitfaden zum Werbekodex der Branche. Anhand fiktiver Werbemotive wird erläutert, wo die Wirtschaft selbst die Grenzen bei der inhaltlichen Gestaltung von Werbung zieht. Weitere Inhalte der Publikation: Ein Rückblick auf das Beschwerdeaufkommen in 2018, eine Übersicht über die europäische und internationale Selbstkontrolle sowie zahlreiche Details zur Arbeit und Funktion der Selbstkontrolleinrichtung. Der Psychologe und Marketing-Experte Sascha B. Lehmann befasst sich in seinem Gastbeitrag mit dem spannenden Thema „Die wahren Werbetreiber: Kreativität schlägt Krawall“.
Jahrbuch Deutscher Werberat 2019
112 Seiten, 5,00 EUR zzgl. Versandkosten
Studierende, Auszubildende: 2,50 EUR (mit Bescheinigung)
PDF-Datei kostenfrei auf Nachfrage
Bestellungen über werberat@werberat.de